Elbspitze 2018

Elbspitze 2018 – Das Monster von Kärnten / Christian
„Ride as much or as little, as long or as short as you feel. But ride.” – Eddy Merckx
Ich habe mich entschieden eher viel und weit zu fahren, aber warum eigentlich?
Seit ich vor einigen Jahren zum ersten Mal von der Elbspitze gehört habe, war ich sofort fasziniert, dass es möglich ist, solche ultralangen Distanzen mit so abartig vielen Höhenmeter quasi am Stück zu fahren. Von Anfang an hatte ich einen riesengroßen Respekt vor der Strecke und vor allem vor den Finishern. Der Reiz, selbst mit von der Partie zu sein, war da.
Dieses Jahr kam ich mit ca. 350 Langlaufkilometern und ersten längeren Touren bereits im Januar und Februar sehr gut in die Saison und merkte, dass es eine gute werden könnte. Spätestens auf der 2. Elbspitze Vorbereitungstour war die Langstreckenform definitiv da und so langsam überlegte ich ernsthaft mich anzumelden. Sicher war ich mir dann nach der 3. Vorbereitungstour zum Jeschken, die bis zum Schluss saugeil lief. Besonders am Jeschken konnte ich nahe am Maximalpuls ordentlich eskalieren. Oben bestätigte mir Frank, dass ich die Elbspitze mitfahren soll. Damit war es beschlossen, ich würde mich dem Monster von Kärnten stellen.
Freitag am sehr zeitigen Morgen klingelte um 3:15 Uhr der Wecker, aber durch die Aufregung fiel das aufstehen gar nicht soo schwer. Überpünklich an der Frauenkirche angekommen, sammelte sich nach und nach die gesamte Truppe. Nach dem Gruppenfoto wurde noch einmal traditionsgemäß die Frauenkirche von den 34 Startern umrundet und dann ging der Wahnsinn endlich los.
Bei perfekten Wetter rollten wir Richtung Erzgebirgskamm und erster Bergwertung. Ich wollte mich allerdings insgesamt zurückhalten, auf Ankommen fahren und möglichst viele Körner sparen. Ein paar Hügel sollten noch kommen, wurde mir gesagt.
Wir wurden mit kräftigem Rückenwind gesegnet und erreichten die erste Pause bei km 144 mit einem Schnitt von über 31 km/h ziemlich zügig. Endlich war Essen angesagt, ein Brötchen nach dem anderen wanderte in den hungrigen Schlund. Beim leckeren Kuchen war es nicht anders.
Gestärkt rollten wir in das Zentralböhmische Hügelland und es wurde heiß. Nach kleineren Bergwertungen und bei anhaltendem Rückenwind rollte es weiter ohne Schwierigkeiten bis zur nächsten Pause. Nudelgulasch, Kuchen und diverses Obst sollten Kraft für die nächsten knapp 100 km auf Abschnitt 3 geben.
Es folgte die erste längere Bergwertung Richtung Kvilda im Böhmerwald. Ich fuhr am Berg weiterhin mein Körnerspartempo und bewegte mich mit einem 140er bis 150er Puls den Berg hinauf. So langsam hatte ich allerdings Bock einen Anstieg auch mal schneller zu fahren, auf die Gefahr hin, dass ich das bereuen würde. An der letzten Bergwertung vor der Abendbrot-Pause brauchte ich einfach mal Action und sicherte mir auf den letzten Metern vor der Kuppe im Bergsprint meinen ersten Berg-Punkt. Nicht, dass noch jemand denkt, ich fahre hier nur wegen dem Essen mit.
Apropos, zum Abendbrot gab’s Nudeln, richtsch viele, geile Nudeln. Mit komplett vollem Bauch und frischen Radsachen sollte es jetzt in die Nacht hineingehen. Ich fühlte mich immer noch sehr gut und war von der Kulisse bei leichtem Nebel über der Donau bei einsetzender Dämmerung geflasht. Im aktuellen Motivationshoch war meine Eskalationsbereitschaft ebenfalls erhöht. An der nächsten Bergwertung aus dem Donautal heraus blieb ich also einfach mal an der Spitze dran, musste aber bei ca. 2/3 reisen lassen. Obendrein hatten wir uns oben verfahren, aber es gab trotzdem weitere 2 Bergpunkte für mich. Ich wusste, dass die Aktion zu viele Körner gekostet hatte, aber geil war’s trotzdem.
Mittlerweile wurden die nassen Straßen immer nässer, da wir permanent einem Schauer hinterherfuhren. Naja, besser nass von unten als von oben. 
Zum Glück hatte mir Micha empfohlen, ein zweites paar Radschuhe mitzunehmen, die ich jetzt in der Nachtpause dringend benötigte. Das erste Paar war vollkommen durchnässt und drückte inzwischen wie Sau. Ich streifte regenfestere Sachen über und nahm auch die Regenjacke für den folgenden Abschnitt Richtung Voralpen mit. Mit einer Kartoffelsuppe gestärkt wartete mit fast 800 hm die Postalm als nächstes auf ihre Bezwingung. Es war stockdunkel und man hörte bei der Auffahrt nur das Rauschen und Getöse des Baches. Was für ein Feeling. Im Laufe des Anstieges zog sich das Feld weit auseinander. In der folgenden Abfahrt dämmerte es bereits wieder. Unten wurde gesammelt und gewartet, bis alle da waren. Da ich im vorderen Drittel über die Bergwertung fuhr, war jetzt leider frieren angesagt. Als es endlich weiterging, wurde mir dank der Regenjacke aber schnell wieder warm. Jetzt erwischte mich der Mann mit dem Müdigkeitshammer und verpasste mir einen ordentlichen Schlag. Ungefähr eine Viertelstunde lang war ich todesmüde, musste mir ständig selbst ins Gesicht schlagen und versuchte krampfhaft Gespräche anzufangen. Ich will gar nicht wissen, was ich in der Phase von mir gegeben habe. Glücklicherweise war die Müdigkeit mit einem Schlag wieder weg und die Frühstückspause fast erreicht.
Mein Magen war auch nicht mehr 100 %-ig da, aber etwas Joghurt, Haferflocken und ein Schnitzel gingen trotzdem. Es war immer noch nass-kalt, dementsprechend fiel die Kleiderwahl aus. Im vorletzten Abschnitt wurde es ernst, 2 Pässe mit je ca. 800 hm mussten befahren werden. Der Radstädter Tauernpass lief gut. Es fand sich eine kleine Gruppe, die gemeinsam bis oben kletterte und auch zusammen bis zum Schönfeldsattel rollte. Hier wurde die Gruppe etwas kleiner, ich gehörte zu denen, die etwas raus nahmen. Der Schönfeldsattel ist ein Scheiß Berg, komplett unrhythmisch, mal steil, mal flach, mal berg ab, hatte ich gerade keinen Bock mehr. Jetzt war es auch noch tierisch heiß und ich war mit meinem Langarmtrikot, Überschuhen usw. viel zu warm angezogen. In meinen Trinkflaschen befand sich nur noch verdünnte O-Saft-Plempe, mit der ich und mein Magen nichts mehr anfangen konnten. Tief Nummer 2 war erreicht. Endlich oben angekommen, gab es erlösendes, kühles Wasser. Nach dem anfangs brutal schlechten Straßenbelag in der Abfahrt war die letzte Pause in Sichtweite.
Ein paar Haferflocken, um den Magen etwas zu beruhigen und natürlich Kuchen bildeten die Basis der letzten Verpflegung. Auf dem Tacho standen bereits 10000 hm und über 700 km. Mit 6 Gels bewaffnet, zog ich in den Kampf gegen den Endgegner, dem Monster von Kärnten. Bereits die Anfahrt ließ nichts guten vermuten. Brachialer über 30 °C-Fön-Gegenwind war nicht so toll und verlängerte die Anfahrt gefühlt um das Doppelte.
Dann ging’s endlich los. Meine Beine fühlten sich gut an, also attackierte ich ambitioniert in den Berg hinein, in der Hoffnung das Tempo einigermaßen halten zu können. Alle ca. 20 – 30 Minuten ein Gel eingeflößt, lief es erstaunlich gut und ich hatte die Spitze zumindest noch eine ganze Weile in Sichtweite. Der schlimmste Part kam allerdings noch, ein nicht enden wollender Wechsel von Kehren und Rampen. Wiegetritt fahren hat bei mir noch nie so weh getan, es hörte nicht auf, steil zu sein. Kurze Euphoriewellen, es gleich geschafft zu haben, wurden durch den Anblick der nächsten Rampe gleich wieder vernichtet. Irgendwann resignierte ich und trat einfach stumpf immer weiter. Vielleicht hört der Berg ja doch noch auf. Im letzten Stück wurden immerhin die Temperaturen angenehm und bis oben sogar kalt. Weit und breit war niemand mehr zu sehen, was bedeutete, dass eine Platzierung unter den ersten 10 so gut wie sicher ist. Mit dieser Motivation und jetzt doch aufkommenden Glücksgefühlen, war das Ziel endlich in Sichtweite. Völlig überwältigt, mit Tränen in den Augen, mental und physisch zerstört, aber überglückglich rollte ich auf Platz 7 über die Ziellinie.
Ein Traum ist wahr geworden – ich habe tatsächlich die Elbspitze gefinisht. 
Im Nachhinein muss ich vor allem dem Helferteam für eine super Rundumversorgung danken! Ohne euch wäre das nicht möglich gewesen. Auch der gesamten Truppe danke ich für eine Tour, die ich nie vergessen werde. – Danke!

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